Trenn Dich!

Impuls zum Thema „Trenn Dich…!“
von Dr. Alexander P
oraj

„Lasst mich euch sagen: Da ist kein Buddha,
kein Dharma, keine Übung, kein Erwachen.“

(Meister Linji)

Ja, trenn dich… das ist leicht gesagt. Oft und leicht. Vor allem als vermeintlich gut gemeinter Ratschlag anderen gegenüber. Trenn dich doch, wenn dir die Beziehung nicht passt, der Job langweilig oder sinnlos erscheint, die Wohnung zu klein oder zu groß ist. Und überhaupt lass einfach los! Am besten alles, denn das Loslassen ist in der spirituellen Szene zum Allheilmittel schlechthin aufgestiegen. Wodurch? Vermutlich durch die Vorstellung, dass wir ohne alles endlich mal frei und sorglos sein könnten. Und so steht früher oder später eben alles auf dem Prüfstand unserer neuen und neuesten Vorstellungen und Ansichten, wird kritisch von unserem Gemüt geprüft und, so sich über kurz oder lang kein positives Gefühl einstellt, zum „Loslassen“ freigegeben.

Mit der Zeit haben wir so manches durchlebt, und das bedeutet eben, dass wir erkennen müssen, dass wir weiterhin in Kontakt mit Personen, Situationen oder Gegenständen bleiben, von denen wir uns nur allzu gerne trennen würden. Nur gehen sie einfach nicht und wir häufig genauso wenig. Andererseits möchten wir in Beziehung oder im Besitz bleiben, weil es uns gut tut oder als wichtig, ja unerlässlich erscheint. Und siehe da, die Personen gehen, Umstände ändern sich von jetzt auf gleich und Gegenstände verschwinden, ohne auf uns auch nur die geringste Rücksicht zu nehmen.

Irgendwann mal sind wir des Ganzen müde und überdrüssig geworden. Wir bemerken, dass vielleicht die Unzufriedenheit doch an uns liegen könnte. Ja, wir werden sogar wütend auf uns selbst und auf die Tatsache, dass wir immer noch bedürftig sind, immer noch gerne etwas hätten und bräuchten. Was machen wir also mit all den Bedürfnissen? Wir bündeln sie zusammen und nennen das Bündel „Ego“. „Ego“ ist damit alles, was ich an mir entdecke und entgegen aller Bemühungen noch nicht losgeworden bin. Dann kommt der nächste Schritt und das „Ego“ wandert auf den ersten Platz der zum Loslassen angefertigten Hitliste. Und spätestens jetzt wenden wir uns an die spirituelle Übung, denn sie scheint doch genau das Mittel erster Wahl zu sein, um uns vom „Ego“ erfolgreich trennen zu können. Es gibt nämlich selten eine spirituelle Übung, die nicht früher oder später eine „Ich-Überwindung“ oder ein „Loslassen“ des Egos in Aussicht zu stellen meint. Zumindest möchten wir es gerne so verstehen.

Was passiert aber mit uns, wenn wir nach Jahren der „Übung“ feststellen, dass wir weiterhin wütend, traurig, hoffend oder verärgert auf bestimmte Umstände reagieren? Wie lange wird es noch dauern, bis wir merken, dass wir nichts wirklich loswerden können und das wir uns nie wirklich von jemanden oder von etwas trennen können und zwar deswegen, weil alles, absolut alles, eins ist, sich gegenseitig bedingt und vergeht, ob es uns gefällt oder nicht?

Niemals standen wir auch nur einen Augenblick vor der Alternative etwas zu haben oder sich von etwas zu trennen. Niemals. Zum Sosein gibt es keine Alternative. Zum „Ego“ ebenfalls nicht. Wir leben in allem, mit allem, von allem und durch alles. Das bedeutet aber, dass wir uns nicht einmal von der Vorstellung einer Trennung und des Loslassens freimachen können, sollen, noch müssen. Was tun also? Das, was ansteht. Sie wissen es schon….

Benediktushof – Zentrum für Meditation und Achtsamkeit