„Es tut mir leid, aber ich habe gerade keine Zeit.“ „Mir fehlt dazu die Zeit.“ „Die Zeit läuft mir davon.“ Wie oft hören wir solche Sätze und sie alle zeugen davon: Zeit ist bei uns zu einer Mangelware geworden. Zeitdruck ist eine Krankheit, unter der heute viele zusammenbrechen. Die Anforderungen sind oft so groß, dass der Tag nicht ausreicht, ihnen gerecht zu werden. Vieles strömt auf uns ein und es ist schwer, sich von der Menge der Eindrücke nicht überschwemmen zu lassen, in ihren Strudel zu geraten und wie ein gehetztes Tier durch den Alltag zu jagen.
Wer dagegen viel Zeit für sich hat, traut sich dies kaum einzugestehen. Er könnte ja als Müßiggänger gelten. Es gehört schon fast zum guten Lebensstil, keine Zeit zu haben. Erst dadurch glaubt man, wichtig und unabkömmlich zu sein.
Es ist bestimmt richtig, dass viel auf die meisten von uns einwirkt, der Tag übervoll ist. Das ist aber auch eine gute Chance, die Fähigkeit zu entwickeln, sich begrenzen zu lernen, nicht alles mitmachen zu müssen, ohne Angst zu haben, etwas zu versäumen und dadurch nein sagen zu lernen.
Allein dies erfasst jedoch noch nicht wirklich das Problem. Es gibt viele Facetten, die unser Zeitverständnis bestimmen. Sehen wir unsere Aufgaben zum Beispiel als etwas an, das uns von unserem eigentlichen Leben trennt, was uns daran hindert, uns verwirklichen zu können? Denken wir oft den Gedanken: „Wann bin ich endlich frei?“ Diese Haltung wird über kurz oder lang dazu führen, dass wir gehemmt sind, uns auf unsere Aufgaben wirklich einzulassen und der Zeitdruck steigt in uns an.
Wäre es nicht auch möglich, die Aufgaben als Verwirklichung unseres Lebens zu verstehen? Gehen wir mit dieser Haltung an unsere Arbeiten heran, verlieren die Anforderungen den Anschein der Fremdbestimmung. Auf einmal eröffnen sie uns die Möglichkeiten, uns zu entfalten. Der Zeitdruck sinkt.
Nichts desto trotzt sollten wir noch genauer hinsehen, was die Zeitnot ausmacht. Sie liegt vielfach in unserem Erleben von Zeit. Die Zeit ist zwar messbar, doch im Erleben erfahren wir sie ganz unterschiedlich. Früh schon erfuhr ich, wie eine Schulstunde zur Ewigkeit werden konnte. Eine Minute erschien mir wie eine ganze Stunde. Es gab aber auch Momente, in denen eine Stunde wie eine Minute verging, ja ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Einmal zeigt sich die Zeit als lang - weilig und das andere Mal als sehr kurz - weilig. Schaue ich genau darauf, erkenne ich, dass ich im ersten Fall das Ende der Stunde sehnlichst erwartete, ich mich mit dem Unterrichtsstoff überhaupt nicht verbinden konnte, im anderen Fall war ich dagegen mit dem, was war, ganz eins.
Dieses Phänomen sollte uns bewusst werden. Erwarten wir etwas anderes, als das, was gerade ist, wird die Zeit unerträglich. Drängen sich nur die leisesten Gedanken vor, wie „hoffentlich kommt zu dem, was jetzt ist, nicht noch etwas hinzu“ oder „ich will dies eigentlich nicht“, dann kann ich den Augenblick nicht wirklich leben, sondern ich fühle mich von den anstehenden Aufgaben gedrängt und mein Leben erscheint unerfüllt. Es sind unsere Gedanken, die uns die Zeit als unerträglich, als belastend oder als erfüllt erleben lassen. Unser Denken gaukelt uns vor, es gäbe etwas anderes, als das, was ist, es gäbe etwas Vergangenes oder Zukünftiges.
Doch es gibt nur das Jetzt. Alles andere ist Illusion. Auch das Denken an die Vergangenheit oder Zukunft ist selbst nur das Jetzt. Vergangenheit ist das Jetzt, Zukunft ist das Jetzt. Die wirkliche Zeit ist immer das Jetzt. Zeit ist unser Dasein JETZT in dieser Welt. Es gibt nichts was existiert, das außerhalb der Zeit ist. Alles ist Zeit. Unser Geist ist die Zeit. Der Geist von allem ist Zeit. In der Zeit sind wir mit allem verbunden.
So gilt: Wie wir das Jetzt leben, so lebt die ganze Welt das Jetzt, jeder Augenblick enthält die ganze Welt. Dieses Verständnis gibt unserem Tun und Denken eine entscheidende Bedeutung und setzt uns auch in die Verantwortung für die Welt.
So ist es wesentlich, ob wir uns auf den Augenblick einlassen können. Erleben wir das Jetzt, erfahren wir die Zeit nicht als eine uns hetzende Dimension sondern als ein erfüllendes Dasein. |
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