Impuls zum Thema „Meditieren mit App und Smartphone“ von Zenmeister Alexander Poraj, spiritueller Beirat am Benediktushof
„Die Jugend von heute ist verdorben, sie ist böse, gottlos und faul.
Sie wird niemals so sein, wie die Jugend vorher,
und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten.“
Keilschrift, Chaldäa, um 2000 vor Christus
„ich habe überhaupt keine Hoffnung in die Zukunft unseres Landes, wenn einmal unsere Jugend die Männer von morgen stellt. Unsere Jugend ist unerträglich, unverantwortlich...“
Aristoteles, 384-322 vor Christus
Als Erstes wünsche ich Ihnen und Euch ein gesundes Neues Jahr mit einer guten Prise an Mut und Freude, sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen, weil es ständig an unsere Türen klopft.
Und damit bin ich schon mitten im Thema: Haben Sie anhand der Zitate bemerkt, wie alt eigentlich die Unzufriedenheit der jeweiligen älteren Generation mit der nachfolgenden ist? Genau. Sie ist wohl genauso alt wie die Menschheit selbst. Wir waren wohl nie wirklich offen dafür, wie die neuen Generationen ihr Leben gestalten. Wie kommt das?
Wir wären durchaus offen für Neues, allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung: das Neue möge sich doch bitte ins Alte einfügen und bloß nicht versuchen, es infrage zu stellen. Am besten wäre es für uns Alten, wenn das Neue lediglich das ändern würde, was uns eh nicht passt. Alles andere gilt als Unfug und gewöhnlich raten wir unseren Kindern davon ab. Gott sei Dank mit sehr geringem Erfolg.
Und warum reagieren wir auf Neuerungen so ablehnend? Weil wir nicht bemerkt haben, dass wir an dem „Alten“ hängen. Es macht uns etwas aus. Es ist unsere Gewohnheit und damit Teil unserer Identität. Wird diese unsere Identität von den Entwicklungen nicht ausdrücklich unterstützt, so fühlen wir uns persönlich betroffen, getroffen, ja sogar infrage gestellt oder angegriffen. Das ist der Kern eines jeden Generationskonflikts, der eben so alt ist, wie die Menschheit selbst. Die „Neuen“ und das „Neue“ wurden immer schon verdächtigt, nicht gut genug zu sein und letztlich Unfug zu betreiben. Erinnern wir uns doch bitte an unsere Jugendzeit und die Diskussionen mit unseren Eltern oder Großeltern. Kamen sie uns nicht immer wieder unbeweglich, altmodisch, verstaubt oder gar ängstlich vor?
Nun aber sind die allermeisten von uns selbst Eltern oder Großeltern geworden und plötzlich hat sich unsere Perspektive unbewusst, jedoch entscheidend verändert. Jetzt vertreten wir gegenüber den jüngeren Generationen das einzig Wichtige und Richtige. Mehr noch: Das Tempo der Veränderungen bewegt sich nicht mehr von einer Generation zur nächsten, sondern findet innerhalb einer einzigen Generation statt. Plötzlich erleben wir mehrere Innovationen innerhalb unseres Lebens, wobei wir an den meisten sogar irgendwie beteiligt sind, wenn nicht direkt, dann spätestens dadurch, dass wir Zinsen, Renten, Lebensversicherungen und vieles mehr erwarten. Aber noch deutlicher gesagt: Wir werden, auch gegen unseren Willen, immer schneller mit den unzähligen Neuerungen konfrontiert, ob es uns passt oder eben nicht. Dafür werden die „Jungen“ schon sorgen, genauso wie wir es gemacht haben. Und wie reagieren wir darauf? Wir tendieren dazu, uns in unseren bisherigen Gewohnheiten zu verschanzen. Mit guten Argumenten natürlich. Wir sind es, die schließlich seit Jahren und Jahrzehnten meditieren und wir wissen, was dafür notwendig ist oder nicht. Das moderne Zeug wie Meditations-Apps, YouTube-Kanäle und vieles mehr haben wir nie gebraucht und deswegen – so unsere gängige Schlussfolgerung – sind diese Dinge, wenn überhaupt, dann als kaum ernst zu nehmende Modeerscheinungen einzustufen.
Natürlich möchte ich an dieser Stelle keine Werbekampagne für die Anbieter solcher Produkte machen. Was ich aber durchaus möchte, ist darauf hinzuweisen, dass wir den neuen Generationen gestatten sollten, sich so zu organisieren, wie sie es für sich können und wollen. Eine App, ein Smartphone oder Tablet sind nicht an sich gut oder schlecht, sondern auch hier kommt es auf den Gebrauch an. Internetportale, Dank welcher z. B. gemeinsames Meditieren und Reflektieren möglich ist, auch über die stattgefundenen direkten Begegnungen hinaus, erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit und drücken unsere Art zu sein und zu kommunizieren aus. Und wenn eine App uns mitten am Tag mit einer kleinen Besinnung wachrüttelt, dann könnten wir dies auf jeden Fall mit einem dankbaren Augenzwinkern annehmen, oder? Millionen von Menschen tun dies bereits und wer weiß, vielleicht bedient sie der junge Verkäufer an der Tankstelle gerade deswegen so freundlich, weil ihn gerade seine Applikation daran erinnert hat, den soeben vor ihm stehenden Menschen, in dem Fall also Sie, einzigartig zu finden?
Apps sind da. Ebenso Tablets und Laptops und damit ein Zugang zu einer Menge von unsinnigen aber eben auch interessanten, wertvollen und unterstützenden Angeboten. Lasst uns doch wach, kritisch und etwas mehr großzügig sein. Das Leben findet immer seinen Weg, auch wenn dieser mit unseren Vorstellungen mal wieder nicht übereinstimmt. Die neuen Generationen erkunden und gestalten ihn bereits.
Es grüßt Euch herzlich
Alexander
Zen-Impuls von Paul J. Kohtes
“Die on your cushion”
Suzuki Shunryū Roshi (1905 – 1971)
Das fängt ja gut an, „Stirb auf deinem Kissen“. Irgendwie verdichtet sich ja die Idee, dass wir alle in einem ziemlich rasant verlaufenden globalen Veränderungsprozess sind. Aber wir wissen nicht, was das konkret bedeutet. Niemand von uns kann das Klima retten. Niemand von uns kann den überfälligen Systemwandel des Kapitalismus hinkriegen. Niemand von uns weiß wirklich, wohin die Reise geht.
Das Jahr fängt gut an, oder?
Ich kann das nur aushalten, wenn ich mich dem Sinn, der hinter all dem ist, ausliefere. Welcher Sinn könnte denn nun hinter all diesen Unsicherheiten und Transformations-Bedrohungen stecken? Change or die ...
Heute wissen wir sehr viel über die Entstehung der Erde, ihre Entwicklung über Millionen von Jahren und die Entstehung von Leben bis hin zu uns Menschen. Dieser ganze Prozess ist von einer endlosen Kette vermeintlicher Zufälle geprägt, die sich in der Gesamtschau als genial erweisen. Milliarden solcher „Zufälle“ hat es gegeben, damit der Mensch überhaupt entstehen konnte. Wir sind damit Teil einer kosmischen Dynamik, die sich letztlich immer als sinnvoll erwiesen hat.
Katastrophen und Absterben waren stets Teil dieser Dynamik. Aber eben auch Teil dieser endlosen Kette von Weiterentwicklung. Jeder von uns ist ein Glied in dieser Kette. Die Illusion, das eigene Leben in der Hand zu haben, schützt uns vielleicht vor der Resignation. Aber letztlich ist sie ein ‚man made‘ Konstrukt, so wie ein Film, in dem wir selber mitspielen. Da ist es gut, sich immer wieder einmal in den Sessel des Kino-Raumes zu setzen und sich selbst bei dem Stück zuzusehen, ein Stück, das ständig wechselt zwischen Drama, Action, Lovestory, Klamotte ... Wir sehen dann, dass wir nicht nur Spieler sind, sondern vor allem auch Gespielte.
Und dann, im Kinosessel zu sterben, ist doch auch eine interessante Alternative zu Suzuki.
2020, the show must go on ...
Gassho
Paul
P.S.: Nächster Kurs Zen for Leadership vom 2. bis 5. Februar 2020 - Zur Anmeldung
Zen & Yoga mit Paul Kohtes in Düsseldorf, samstags von 9.30-12.30 Uhr - nächster Termin: 8. Februar 2020. Anmeldung und Information bei Britta Averbrock: britta@averbrock.eu
Podcast "Im Fluss des Lebens sein" mit Paul J. Kohtes
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Hörbuch von und mit Paul Kohtes: Meister Eckhart - 33 Tore zum guten Leben - Weitere Informationen