Die Schönheit des Vergänglichen
Impuls zum Thema "Die Schönheit des Vergänglichen" von Fernand Braun spirituelle Leitung Benediktushof
„Ich habe mit Erfolg zehntausend Wege entdeckt, die zu keinem Ergebnis führen."
Thomas Edison
Es ist ein erstaunlicher und zugleich ermutigender Satz von Thomas Edison! Wer es oft genug versucht und nicht aufgibt, wird am Ende belohnt. Sein zehntausendmaliges Scheitern führte schließlich zum Erfolg: Edison erfand die Glühbirne und veränderte mit seiner revolutionären Erfindung das alltägliche Leben des Menschen nachhaltig.
Im Falle von Edison kann man zurecht schlussfolgern: Der Weg des Scheiterns trägt den Erfolg schon in sich. Was ist es, das den Menschen antreibt, es wieder und wieder zu versuchen, ohne zu wissen, ob irgendetwas dabei herauskommt? Eine Untersuchung ergab, dass rund 90% aller neuen Ideen schlechter sind als das schon Vorhandene. Viele ziehen daraus die Schlussfolgerung, nichts Neues mehr zu wagen und sich nur noch an das Bewährte zu halten. Man könnte allerdings auch das Gegenteilige davon ableiten, es als Ansporn zu verstehen und jetzt erst recht mehr zu wagen und es immer wieder zu versuchen! Wer nichts wagt, kann nicht scheitern. Aber ist ein solches Leben, das Herausforderungen nicht annimmt, nicht schon als ein gescheitertes zu betrachten? Leben möchte sich entfalten. Es kennt keinen Stillstand, und es ist schon gar nicht rückwärtsgewandt.
Es gibt auch ein anderes Scheitern. Man kann augenscheinlich vieles richtig machen und trotzdem scheitern: Partnerschaften gehen auseinander, Karrieren zerbrechen, selbst unvermeidbare Schicksalsschläge – wie Krankheit oder der Tod von geliebten Menschen – werden trotz aller Bemühungen wie ein persönliches Versagen betrachtet. Scheitern gehört zu den Grunderfahrungen eines jeden Menschen. Keiner kann sich ihnen entziehen. Es gilt, sie nicht persönlich zu nehmen, sondern das Scheitern als „Dynamik des Lebens“ zu verstehen. Das Entscheidende ist die Haltung zu diesen Erfahrungen. „Im Scheitern zeigen sich der Charakter und die wahre Größe des Menschen" (Willigis Jäger). Nicht das Perfekte oder Makellose, sondern so befremdlich es klingt, das Vergängliche und Fehlerhafte verdienen unsere Wertschätzung. Ein bemooster Felsen, ein verrostetes Gitter, eine knorrige, schiefgewachsene Kiefer im Gebirge oder das gebrochene Licht des Mondes und nicht der strahlende Glanz der Sonne haben ihre eigene Schönheit!
Die Betrachtungsweise des Vergänglichen, des Zerbrechlichen und scheinbar Fehlerhaften wird in einer 500 Jahre alten asiatischen Restaurationstechnik, Kintsugi genannt, angewandt. Die Scherben einer Schale werden in einer besonderen, aufwendigen Methode behutsam, glatt und geschmeidig zusammengefügt. Die Brüche werden nicht unsichtbar gemacht, im Gegenteil: Die Scherben werden mit einem Harzkleber, welcher mehrschichtig aufgetragen wird, zusammengeklebt. Bei jeder Schicht wird der Kleber mit Gold oder Silber bestäubt. Dadurch werden die Risse für alle sichtbar und auf besondere Weise hervorgehoben. Durch diese aufwendige Wiederherstellung bekommt die Schale eine besondere Bedeutung und einen unschätzbaren Wert.
Um wie vieles einfacher und leichter wäre unser Leben und auch unsere Praxis, wenn wir mit wertschätzendem, mitfühlendem Blick auf die Scherben unseres Lebens schauen würden. Warum sollten wir sie verstecken – haben doch auch sie ihre eigene Schönheit und ihren besonderen Glanz! Und indem wir unsere „gebrochene Existenz“ nicht vor den anderen verstecken, geben wir nicht auch damit den anderen die Möglichkeit, sich zu zeigen in ihrer „Soheit“?
Hans Zimmer – Chevaliers de Sangreal
Unglaublich ergreifende Musik