Nichts wird sich in der Welt ändern, ändert sich nicht der Mensch!
Am Ende seiner Reden pflegt der Inder Jiddu Krishnamurti Fragen zu beantworten, die ihm von seinen Hörern im voraus vorgelegt worden sind. So auch gestern bei seinem ersten Vortrag in der (nicht ganz gefüllten) großen Musikhalle.
Eine der Fragen hieß: Wie können wir einen neuen Krieg verhindern? (Es ist das Nächstliegende, was die Deutschen bedrängt.)
Krishnamurti antwortete darauf, dass sich nichts ändern werde, wenn der Mensch sich nicht ändere, sondern darauf beharre, in erster Linie Deutscher oder Inder oder Russe oder Christ oder Mohammedaner zu bleiben, statt in erster Linie Mensch zu sein. Er müsse sich bewusst machen, wie sehr er an diese Vorstellungen seiner Überlieferung gebunden sei und sich über sie erheben, um jeden anderen Menschen wie auch sich selbst als Menschen erleben zu können.
Zu diesen Belastungen durch die Überlieferung zähle auch das soziale Erfolgsstreben, der Ehrgeiz, der Egoismus des Menschen. Wenn er immer noch mehr werden und haben wolle – das sei ja bereits »Krieg«, und er werde den Krieg nicht überwinden, solange er sich in diesen Punkten nicht ändere. Die äußeren Zustände in der Welt seien ja nur der Ausdruck dessen, was in den Menschen innerlich vorgehe. Durch Gesetze der Staaten sei der Frieden nicht zu bekommen, sondern nur durch die Menschen selbst.
Das sind einleuchtende Gedanken. Sie werden den Nachdenklichen nicht gar so neu erscheinen, und die Christen werden sich erinnern, dass ihre Lehre sie ganz ähnlich seit 2000 Jahren verkündet. Freilich ist es etwas anderes, sie von einem indischen Philosophen und Lehrer statt von dem Pfarrer auf der Kanzel vertreten zu sehen.
Von einem Manne überdies, der jede Lehre, jede Dogmatik, jede Tradition, jede Bindung an Kirche oder Religionsgemeinschaft strikt ablehnt und die Menschen auffordert, nicht in der Vergangenheit zu leben, sondern den Ballast jeglicher (auch der persönlichen) Überlieferung, der Ideen und der Erinnerungen abzuwerfen, unbefangen in der Gegenwart zu leben und sich selbst zu erkennen: Wer sich der Autorität eines anderen unterstellt, kann wohl erfahren, was andere denken, aber er wird nicht erfahren, was er selbst denkt.
Das Leben – so gibt Krishnamurti zu bedenken – ist in ständiger Bewegung; wir sollten daher versuchen, dieses Leben zu verstehen und nicht die Ideen, die wir uns selbst oder die andere sich über das Leben machen. Wir müssen die Wirklichkeit erkennen, und solche Erkenntnis kann niemand anders für uns gewinnen, sondern nur wir selbst. Wir müssen ursprünglich werden, damit die Wirklichkeit in unser Leben kommt.