Impuls zum Thema "Her mit dem schönen Leben"
von Zenmeister Alexander Poraj
"Es gibt nur zwei Arten zu leben.
Entweder so als wäre nichts ein Wunder
oder so als wäre alles ein Wunder.“
(Albert Einstein)
Die drei häufigsten Vorsätze für 2018 lauten nach einer aktuellen Studie: Stress vermeiden/abbauen, mehr Zeit für Familie und Freunde sowie mehr Bewegung. Es ist also viel zu tun. Wenn wir diese Vorsätze in unserem Alltag umsetzen können, hoffen wir, dass das Leben besser und schöner wird.
Wir wünschen uns tolle und wunderbare Augenblicke und Ereignisse. Und zugegeben, davon gibt es durchaus einige. Gemessen an unseren Erwartungen und Hoffnungen jedoch viel zu wenige. Diese unsere Haltung ist so weit verbreitet, dass sie allgemein als völlig normal bewertet, nicht bedenkenswert erscheint und deswegen auch eins zu eins in die Zen-Praxis übernommen wird.
Das bedeutet wiederum, dass wir uns dann einer spirituellen Übung widmen mit der Erwartung, irgendwann mal in den Genuss eines Zustandes zu kommen, den wir endlich mal voll und ganz akzeptieren können, weil er unseren Erwartungen entspricht oder diese gar übertrifft. So weit so gut. Was hat das aber mit Zen zu tun? Leider nicht viel. Weshalb? Weil wir unter dem Decknamen des Zen weiterhin kein offenes Gewahrsein verkörpern, sondern lediglich die Suche nach angenehmen Momenten betreiben oder besser gesagt, diese uns sehnlichst herbeiwünschen.
Genau hier passt der Ausruf: „Her mit dem schönen Leben“, denn nicht selten verwandeln wir das Zazen in eine Art Wartezimmer auf spirituelle Erlebnisse wie Einheit oder Liebe, die wir uns natürlich entsprechend toll ausmalen und nur dann realisiert sehen, wenn unsere Gefühle in Ekstase geraten. Darunter machen wir es nicht. Darunter ist es normales Leben und eben kein „spirituelles“ Erlebnis. Schade.
Zazen ist Gegenwart. Gegenwart ist. Sie ist immer. Deswegen besteht die sogenannte Zazen-Praxis darin, Gegenwart zu verkörpern. Die Gegenwart ist in sich eins. Sie kennt keine Trennung. Alles was ist, ist, ob wir es wollen oder nicht, ob es uns gerade passt oder wir es anders möchten, spielt dabei keine Rolle. Zazen ist damit das Realisieren der Tatsache, dass dieses eine unmittelbare „Ist“ ist. Zazen ist damit die Gegenwart selbst.
Was bedeutet das für unsere Praxis? Ganz einfach und doch unserer Gewohnheit wegen schwer zu realisieren: Wenn wir Einheit erfahren möchten, dann müssen wir nicht dafür etwas tun, sondern das Gegenteil ist wahr. Wir müssen aufhören, die Gegenwart in Teilen zu denken und zu fühlen. Genauer gesagt: Wir müssen während der Übung damit aufhören, irgend etwas zu tun. Warum? Weil es immer schon ist und nicht erst durch eine Handlung wird. Deswegen ist die Zazen-Praxis die Haltung des offenen Gewahrseins: die Verkörperung der Gegenwart als Sitzen oder Gehen, Ärger oder Trauer oder was auch immer geschieht, ohne sich davon zu trennen, sich in dem Beobachter zu verstecken oder was anderes erwarten zu wollen.
Die Praxis ist der stetig stattfindende Willkommensgruß: Her mit dem schönen Leben!
www.benediktushof-holzkirchen.de